Viel beachtete Rede zum Volkstrauertag durch Wolframs-Eschenbachs 1. Bürgermeister Michael Dörr

WOLFRAMS-ESCHENBACH (Eig. Ber.)

Auszug aus der Rede: „Gedenktage sind Tage, an denen eine Gesellschaft nach außen hin zeigt was ihr wichtig ist. Mit dem heutigen Volkstrauertag zeigen wir 101 Jahre nach Ende des 1. Weltkrieges und 64 Jahre nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges, dass wir die vielen Opfer bis heute nicht vergessen haben. Wir denken an die Soldaten, die im Stellungskrieg des Ersten Weltkrieges in den Schützengräben massenhaft ihr Leben verloren haben und wir denken an die Männer die in einem sinnlosen und brutalen Eroberungskrieg der Nazidiktatur gefallen sind. Wir denken an die vielen Kriegsgefangenen, die besonders nach dem 2. Weltkrieg in den Arbeitslagern des Diktators Stalin über Jahre zu Tode geschunden wurden.

Wir denken an die vielen zivilen Opfer, an die Frauen und Kinder die die Bombardierungen ihrer Städte nicht überlebt haben. 30 Jahre nach dem Mauerfall, an den sich die meisten hier Versammelten persönlich noch gut erinnern können, sollten wir uns aber auch wieder an die vielen Opfer des sozialistischen Regimes in der ehemaligen DDR erinnern. An die mehr als 1.000 Getöteten, die bei Fluchtversuchen an der innerdeutschen Grenze brutal erschossen wurden, an die vielen Opfer von Stasi und Parteiapparat, an die Eltern denen man ihre Kinder weggenommen hat und zur Zwangsadoption freigab, nur weil sie politisch anders dachten oder aus dem Unrechtsstaat Deutsche Demokratische Republik ausreisen wollten.

Der Volkstrauertag bietet eine gute Gelegenheit, gerade auch dieser Opfer zu gedenken und gegen das Vergessen und besonders gegen die wie es mir persönlich vorkommt, inzwischen häufig auftretende Verklärung des SED Regimes. Diese Verklärung, wie ich es empfinde, hat sich gerade in den letzten Jahren stark ausgebreitet und hat mit der Realität wie sie im Osten Deutschlands über mehr als 40 Jahre stattgefunden hat, nichts zu tun. Ich sage dies auch deshalb, weil ich vor inzwischen fast 10 Jahren einmal die Gelegenheit hatte unter der persönlichen Führung eines ehemaligen politischen Häftlings das Stasi Untersuchungsgefängnis

Hohenschönhausen zu besichtigen. Dies war für mich ein tief beeindruckendes und erschütterndes Erlebnis. Der Volkstrauertag wurde vor einhundert Jahren nach dem ersten Weltkrieg eingeführt, der ersten großen Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Dieser Krieg brachte durch den erstmaligen Einsatz neuer Waffen wie Giftgas- Luft und Panzerangriffe eine vorher nicht gekannten Zahl an Opfern und menschlichen Leides hervor. Deshalb setzten sich in der Folgezeit viele Menschen für eine andere auf Verständigung und Völkerfreundschaft ausgerichtete Politik ein. Gleichzeitig wurden mit dem Versailler Friedensvertrag von 1919, also vor genau 100 Jahren, der damaligen Bevölkerung im Deutschen Reich schwerste Reparationsforderungen auferlegt, die zusätzlich zu den immensen territorialen Gebietsverlusten, kaum zu erfüllen waren. Diese Politik der damaligen Alliierten, aber auch das gleichzeitige Verdrängen der Schrecken und ein Revanchismus in weiten Teilen der Bevölkerung unterstützten das Aufkommen der Ideologie des Nationalsozialismus. Vor mehr als 74 Jahren, 1945 fand dann das Regime der Nationalsozialisten ein Ende und wir können in diesem Jahr auf 70 Jahre Grundgesetz in der Bundesrepublik und ein Leben in Freiheit zurückschauen. Diese lange Zeit des Friedens und Wohlstandes ist in der Deutschen und Europäischen Geschichte einmalig und ist sicherlich keine Selbstverständlichkeit. Im letzten Jahr wurde auch eine Delegation der Stadt Wolframs-Eschenbach zu den umfangreichen Gedenkfeiern zum 100. Jahrestag zum Ende des 1. Weltkrieges 1918 in unsere Partnerstadt Donzenac eingeladen. Ich durfte dort bei der zentralen Gedenkfeier auch die Namen unserer vielen Gefallenen des ersten Weltkrieges vortragen, was für mich und alle anwesenden Wolframs-Eschenbacher sehr ergreifend war. Solche Gesten ehemaliger Gegner auch auf Gemeindeebene setzen großes Vertrauen ineinander und einen langen vorherigen Prozess der Freundschaft voraus. Zu verdanken ist dies in Wolframs-Eschenbach im Besonderen auch unserem Partnerschaftskreis und allen Vereinen, die seit 20 Jahren dazu beitragen die langjährige Freundschaft unserer beider Städte weiter zu pflegen. Eine ganz große Stütze dieser Freundschaft war Simone Chevalier, die nach einer langen Krankheit im Mai dieses Jahres leider viel zu früh verstorben ist. Auch ihrer wollen wir heute besonders gedenken.“

Nach 1945 hat man eingesehen, dass sich eine Gewaltherrschaft wie die Diktatur des Nationalsozialismus und eine Katastrophe wie der 2. Weltkrieg nicht mehr wiederholen darf. Wenn es heute, mehr als 80 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, nur noch ganz wenige Zeitzeugen gibt, die von den Schrecken des Krieges berichten können, ist es umso wichtiger, dass wir mit der Beibehaltung der Tradition des

Volkstrauertages den vielen Toten wieder ein Stimme geben. Hinter jedem einzelnen Namen der Gefallenen und Vermissten auf der Tafel hinter uns steckt eine Geschichte und ein Schicksal. Auch wenn wir an die einzelnen dieser Schicksale denken wollen, so drohen inzwischen viele in Vergessenheit zu geraten. Damit dies nicht passiert ist es wichtig, dass Organisationen wie der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der in diesen Tagen sein 100. Jubiläum feiert, weiterhin den Schicksalen einzelner nachspürt, Gefallene identifiziert und den Namenlosen einen Namen gibt. Heute fragen wir uns, wie konnte das geschehen? Was können wir tun, dass sich große Katastrophen wie der Erste und der Zweite Weltkrieg nicht mehr wiederholen. Ein wesentlicher Punkt ist neben der bereits erwähnten Völkerverständigung, dass man Bündnisse eingeht und auch zu seinen Bündnisverpflichtungen steht. Die Nato, welche im Moment durch eine unberechenbare Politik eines Präsidenten und eines Staatspräsidenten etwas gebeutelt wird, feierte auch in diesem Jahr ihr 70-jähriges Gründungsjubiläum. Nach meiner Meinung war wie in der Vergangenheit und ist sie auch in der Zukunft weiterhin ein wesentlicher Garant für Freiheit und Frieden in unserem Land. Denn in der Nachbetrachtung hat dieser Zusammenschluss in den 40 Jahren des Kalten Krieges ganz Westeuropa vor einer Ausbreitung der kommunistischen Regime bewahrt und Freiheit und Frieden gesichert. Gerade US Präsident Ronald Reagan und die Bundeskanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl haben dabei seit Anfang der 80er Jahre durch eine starke Haltung, ein aufeinander Zugehen der beiden Blöcke erst ermöglicht. Ich betrachte es nach wie vor als ein großes Geschenk, dass wir als Deutsche nun bereits seit 29 Jahren wiedervereinigt zusammenleben können. Seit 1992 haben aber in unzähligen weiteren kleineren Konflikten bereits 110 Soldaten der Bundeswehr ihr Leben im Auslandseinsatz verloren. Unser Mitgefühl soll auch den Gefallenen in diesem Einsatz und ihren Angehörigen gelten, damit wir auch in den kommenden 70 Jahren wie seit 1949 in Freiheit und Frieden leben können!

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