Begegnungsstätte damals und heute: Das Haus der Bäuerin

SACHSEN b. ANSBACH

Nach 1945 und lange vor der Gebietsreform war der Ort Sachsen bei Ansbach wie die meisten anderen Gemeinden politisch selbstständig und hatte bei Kriegsende nur etwa 200 Einwohner. Zahlreiche Flüchtlinge kamen und gingen, aber es verdoppelte sich die Einwohnerzahl, die dann schnell weiter stieg. Heute leben hier – im Hauptort mit seinen 9 Ortsteilen – etwa 3500 Menschen. Der Wunsch, nach dem Krieg eine zentrale Begegnungsstätte für Einheimische und Flüchtlinge zu schaffen, war der Beginn eines ungewöhnlichen Erfolgs. Hans Flier, ab Juni 1948 bis 1984 Sachsener Bürgermeister und laut Chronist Hermann Dallhammer ein „rühriger, rastloser Kommunalpolitiker“ und dem Gemeinderat gelang es, als „Versuchsgemeinde“ in Mittelfranken ein Pilotprojekt auf die Beine zu stellen. Tatsächlich wurde das „Haus der Bäuerin“ am 30. Oktober 1950 feierlich eingeweiht – als erstes seiner Art in Mittelfranken. Hier gab es, wie Dallhammer in seiner „Chronik von Sachsen“ 1999 schreibt,  „Bäder, eine Waschküche mit Heißmangel (bettlakenbreit), eine Sacknähmaschine, einen Backofen, eine kleine Bücherei, eine Mostanlage und Schlachträumlichkeiten.“ Darüber gab es einen häufig genutzten Saal für gesellige Veranstaltungen und Kinovorführungen. 1961 wurde das Haus aufgestockt, später folgten Anbauten für die Feuerwehr. Bis in die achtziger Jahre fanden hier die zahlreichen Bälle der Sachsener Vereine und viele weitere Feste statt; auch der Gemeinderat tagte vor dem Bau des modernen Dienstleistungszentrums an der Hauptstraße im Kleinen (hinteren) Saal. Die klassischen gemeindlichen Dienstleistungen im „Haus“ waren durch die voranschreitende Modernisierung von Privathaushalten und Bauernhöfen allerdings irgendwann nicht mehr gefragt. Ein Ort der Begegnung ist das Haus der Bäuerin aber immer geblieben. Wo einst geschlachtet, gemangelt und gemostet wurde, befindet sich seit vielen Jahren das Jugendzentrum der Gemeinde. In den beiden Sälen darüber, die auch von Gemeindebürgern genutzt werden können, wurde weiter gefeiert oder getagt. Als die Schulturnhalle modernisiert wurde, diente der große Saal sogar zeitweilig aus Ausweichquartier für die Step-Aerobic- und Gymnastik-Kurse der Volkshochschule. Zu Corona-Zeiten werden hier jetzt auch wieder die Gemeinderatssitzungen abgehalten – im großen Saal und mit dem nötigen Abstand. Für eine ganz kurze Zeit konnte hier 2020 sogar noch der Gesangverein coronakonform proben. Die Bäuerin mit dem Ährenbündel auf der Hauswand hat in über 70 Jahren viele Veränderungen gesehen. Eins ist immer geblieben: Das Gemeinschaftsgefühl in der Gemeinde, das, wie es aussieht, auch die Pandemie überdauern wird.

Text + Foto: Susanne Hassen

Werbung:

Über Habewind Informationsdienst

Dieser Inhalt wird bereitgestellt von Habewind Online