Das gehört zu meinem Leben

Organistin sein ist mehr als ein Hobby. Für Ingrid-Maria Schütz ist es eine Leidenschaft, eine Verpflichtung – ein Dienst an der Gemeinde. Die 73-Jährige begleitet bereits seit 60 Jahren evangelische Gottesdienste mit ihrem musischen Talent.

Habewind News: Sie sind Organistin in Bertholdsdorf. Was gefällt Ihnen an der Gemeinde besonders?

Ingrid-Maria Schütz:Die Leute hier sind sehr sehr nett, dankbar und freundlich. Neulich hat mir ein junger Kerl, vielleicht um die 16 Jahre alt, ein Päckchen Müsli zu Weihnachten gebracht. Er meinte: „Ich freu mich immer, wenn Sie so schön Orgel spielen.“ Die Bertholdsdorfer sind sehr aufgeschlossen und freuen sich, wenn ich da bin.

Na ja nach 25 Jahren wissen sie was los ist. Ich bin halt immer zur Stelle. Da muss schon einiges passieren, dass ich nicht komme. Der Gemeinde ist das bewusst und sie kann sich auf mich verlassen. Das gehört bei mir mit dazu.

 

Wie sind Sie zum Orgelspielen gekommen?

Ich bin in der Diaspora am Starnberger See aufgewachsen. Also in einem Gebiet, wo mehr Katholiken leben und die Protestanten die Minderheit bilden. Meine Eltern waren sehr christlich, gingen regelmäßig in die Kirche und wir Kinder auch. Der Gottesdienst fand in einem Klassenzimmer der Volksschule statt. Wir hatten keine Kirche in Pöcking. Damals gab es nur ein Klavier, worauf meine Mutter die Messe begleitete. Allerdings war sie immer wahnsinnig aufgeregt. Da ich ebenfalls Klavier spielen konnte, sagte sie, als ich ziemlich so weit war: „Mach du mal weiter.“ Von da an habe ich die Gottesdienste mitgestaltet.

Anfang der 60er Jahre kam dann ein Gemeindehaus in Pöcking, mit einer richtigen Orgel, dazu. Auf der habe ich natürlich gespielt. So bin ich zur Orgel gekommen. Aber angefangen habe ich eigentlich auf dem Klavier. Da war ich 13.

 

Wer hat Ihnen das Orgelspielen beigebracht?

Ich habe es mir selber beigebracht, nachdem ich schon Klavier spielen konnte. Es sind ja die gleichen Noten. Das muss man sich halt zusammen suchen. Wo ist das C, das A und so weiter. Außerdem bekam ich damals in Starnberg bei der dortigen Organistin Unterricht. Später, während des Pädagogikstudiums in München,hat mich der Organist der Matthäuskirche unterrichtet.

 

Wie lange dauert es, bis man das Orgelspielen vollständig erlernt hat?

Also da muss schon eine gewisse Begabung vorhanden sein. Dadurch, dass ich eben mit Musik aufgewachsen bin, erst mit Flöte, dann mit Klavier und danach mit der Orgel, hat mir das keine Schwierigkeiten gemacht. Aber ich kenne mehrere, die damit angefangen und wieder aufgehört haben. Es gehört wie gesagt eine gewisse musikalische Begabung dazu. Und Fleiß zum Üben!

 

Was ist das Besondere beziehungsweise das Schwierige am Orgelspielen?

Die Technik ist nicht so ganz ohne. In Bertholdsdorfhabe ich nur ein Manual, also eine Reihe Tasten. Es gibt auch Orgeln mit zwei oder drei, wie zum Beispiel in Rohr. Das Schwierige ist mit beiden Händen auf verschiedenen Manualen zu spielen. Und dann kommen noch die Füße dazu.

Also dasKnifflige überhaupt ist, dass der Organist obenmit den Hände spielt und unten mit den Füße. Da immer die richtige Taste oder das passendePedal zu treffen ist nicht ganz einfach.

 

Was machen Sie zur Winterzeit gegen die Kälte? Denn Handschuhe können Sie ja vermutlich nicht tragen.

Hätten wir das Interview heute in der Kirche geführt, wären wir gescheit eingefroren. Es ist furchtbar kalt. Zum Gottesdienst heizen die Bertholdsdorfer zwar, aber das ist nur eine Luftheizung und deshalb bleibt es trotzdem ziemlich kalt. Ich habe Handschuhe wo vorne die Finger frei sind und na ja ich ziehe halt ein paar Pullover an. Außerdem habe ich ein beheizbares Sitzkissen. Damit geht die Wärme schon ein bisschen rauf. Was schlecht ist, sind die Füße. Die sind immer kalt. Zum Orgelspielen trage ich extra Schuhe mit glatten Sohlen, damit ich auf den Pedalen hin und her rutschen kann. Da passen keine Wollsocken rein. Deswegen muss ich notgedrungen normale Strümpfe rein ziehen. Allerdings denke ich nicht permanent an meine kalten Füße. Das merke ich erst am Ende, wenn ich wieder in die warmen Schuhe schlüpfe.

 

Was sind Ihre Lieblingsstücke?

Bach natürlich. Also Bachvorspiele, Choralvorspiele. Beim Gottesdienst gibt es immer ein Vor- und ein Nachspiel. Wenn der Posaunenchor da ist, dann machen wir das zusammen und wechseln uns ab. Und Mensch, das ist schön. Mein Bruder sagt immer: „Da kriegt man Gänsehaut.“ Posaunenchor plus Orgel – und dann volle Pulle. Das ist toll.

 

Also musizieren Sie gerne mit anderen zusammen?

Oh ja. Das macht mir sehr viel Freude. Zum Beispiel mit einer Geige oder einer Trompete zusammen. Das ist natürlich was Tolles – Trompete und Orgel. Vor allem, wenn man den richtigen Trompeter hat.

 

Was bereitet Ihnen sonst nochSpaß beim Spielen?

Also ich finde es immer großartig, wenn die Gemeinde gut mitsingt. Das ist ein schönes Gefühl und macht wahnsinnig viel Freude. Gerade die Bertholdsdorfer sind eine sehr sangesfreudige Gemeinde, die gut und kräftig mitsingt. Esisteinfach schön, wenn die Leute einem das Gefühl geben: Das was du hier spielst kommt an und alle gehen gut mit.

 

Ist die Orgel noch ein zeitgemäßes Instrument?

Auf jeden Fall! Die Kirchenorgel ist für das Gotteshaus da und gehört zur heiligenMesse dazu. Wer das lernen und spielen will, muss schon ein bisschen was für die Kirche übrig haben. Sonst hat es keinen Zweck. Es gibt immer wieder junge Leute,die sehrbegeistert sind. Das liegt unter anderem am Klang. Der ist so variabel. Von ganz leise bis laut, hohe und tiefe Töne.

 

Für wen spielen Sie?

Für mich ist das ein Dienst an der Gemeinde und natürlich an Gott. Das ist klar. Ich will mich nicht in den Vordergrund drängen. Natürlich steht der Organist irgendwo im Mittelpunkt, aber ich mache aus einem Gottesdienst kein Konzert. Sondern für mich ist die Begleitung der Gemeinde wichtig und, dass sie mit meinem Orgelspiel zusammen singen kann. Das macht mir einfach Freude, wenn die Leutedarauf eingehen können und es ihnengefällt.

 

Wie lange wollen oder können Sie noch spielen?

Kann ich schlecht sagen. Ich mach‘s gerne und es gehört zu meinem Leben dazu. Mein Bruder meint immer: „Hör halt mal auf!“, weil ich andauernd sage: „Ich kann nicht fort. Ich muss Orgel spielen.“Sobald ich mich aber körperlich oder geistig quälen muss, es mir schwer fällt – dann hör ich auf. Jetzt will ich schon noch weiter spielen. Klar. Nun habe ich genügend Zeit, um mich vorzubereiten, zu üben oder eben mal für mich zu spielen. Ohne zu wissen: „Das kommt am Sonntag dran.“ Einfach irgendwas spielen, was mir gefällt und dann mach ich schon mal volles Werk. Also schön laut. Das ist ohnehin mehr als ein Hobby. Und deswegen: Warum soll ich aufhören?

 

a IMAG0993 - Kopie

 

von Isabel-Marie Köppel

Werbung:

Über Habewind Informationsdienst

Dieser Inhalt wird bereitgestellt von Habewind Online

Schreibe einen Kommentar