Die Zauberflöte – Sternstunde einer Souffleuse

Sommertheater in Wolframs-Eschenbach

WOLFRAMS-ESCHENBACH

Es war ein warmer Sommerabend im Kirchhof von Wolframs-Eschenbach. Es mussten zusätzlich Stühle aufgestellt werden, so sehr drängte das Publikum, um noch einen Platz zu ergattern. Ehrengäste aus Politik und Gesellschaft hatten sich eingefunden, wollten sie doch alle erleben, was eine Souffleuse tut, wenn die Leiterin des Abends, Gerlinde Salieri, nicht an der Theaterbühne erscheint und die Souffleuse somit die Aufführung kurzerhand in eigener Regie übernimmt. Was war zu erwarten? Eine zauberhafte Miniaturbühne: Drei Ebenen stellten – auf- und zugeklappt – einmal das Reich der Königin der Nacht dar, dann das Schloss Sarastros und schließlich dessen Heiligtum. So erhielten die unterschiedlichen Figuren Raum zum Spiel, sowohl die von oben geführten Marionetten als auch die von unten gespielten Klappmaulpuppen. Die Zusammenstellung der Figuren wurde voller Liebe und Fantasie gestaltet. Die Marionetten Pamina und Tamino standen in ihrer Erhabenheit für das Geistige – die Klappmaulpuppen Papageno und alte sowie neue Papagena waren dagegen bodenständig und in ihrer Zeugungsfreude körperlicher. Der Mohr Monostatos, ein hellhäutiger und brutaler Wüstling. Sarastro, Stellvertreter für die Loge der Freimaurer oder Illuminati, also fast nicht mehr von dieser Welt, tauchte als Schatten auf. Und schließlich war da noch die Königin der Nacht, großartig mit ihrem mit Sternen besetzten Kleid die gesamte Bühne umfassend. Sie schlang in ihrer zweiten Arie einen überlangen Arm zu ihren Stimmband beanspruchenden Koloraturen um ihren eigenen Hals, ein Spaß, der nur im Puppentheater gelingen kann – und beim Publikum spontanes Lachen auslöste. Die Spielerin Christiane Weidringer aus Erfurt, angekündigt als Souffleuse, trat auf mit dem Textbuch in der Hand, tauchte in die Bühne ein und kam, zur Erheiterung des Publikums, aus der kleinen Souffliermuschel wieder heraus, um zu vermelden, dass die Leiterin des Theaters, Gerlinde Salieri, an diesem Abend verhindert sei und sie selbst die heutige Vorstellung übernehmen werde. Am Ende des Abends erfuhr das Publikum, dass der ungeliebten Chefin die regelmäßige Verabreichung des sogenannten „Thronfolger-Giftes“, Aqua Tofana, den Garaus gemacht hat. Die Vögel, die eigentlich von Papageno, dem Vogelfänger, gefangen werden, wollten auch endlich einmal aus dem Schatten ihres Statistenlebens herausflattern und selbst mitsingen: „…schließlich sind wir Vögel, Singvögel“. Der Weimarer Musiker Andreas Kuch hat aus der Musik von Wolfgang Amadeus Mozart meisterhaft die Highlights extrahiert und neu eingespielt. Auch er sah seine Sternstunde gekommen und komponierte die erste Arie der Königin der Nacht zu einem Chanson um, welches, wie alle anderen Arien auch, von Weimarer Musikstudentinnen und -studenten neu eingesungen wurden. Diese Zauberflöte erschien also in einem völlig neuen Gewand und doch war es genau die Geschichte, die wir alle kennen. Der Regisseur Harald Richter feierte mit dieser Zauberflöte seine 100. Inszenierung. Wie hieß es wohl so treffend? „Wer die Zauberflöte kennt, wird in dieser Inszenierung gleichermaßen gepackt wie der, welcher sie nicht kennt“.

Text: Figurentheater / Klemens Hoppe + Fotos: Klemens Hoppe

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