Diskussion um Netzausbau

Versorgungssicherheit oder EU-Binnenmarkt?

Tatsächliche Gründe für HGÜ-Leitungen bisher noch nicht hinreichend kommuniziert

In der aktuellen Diskussion um den Ausbau des Stromübertragungsnetzes und damit auch der geplanten Hochspannungsleitungen nach Süddeutschland wird immer deutlicher, dass die bisherigen Ausbauplanungen der Übertragungsnetzbetreiber vorrangig dazu dienen, den europaweiten Handel mit Energie sicher zu stellen. „Die Motive für den Bau der HGÜ-Trassen ergeben sich also weniger aus der Notwendigkeit, Versorgungssicherheit in Bayern nachhaltig sicher zu stellen als vielmehr aus den Erfordernissen für den europäischen Energiebinnenmarkt. Das scheint den Bürgerinnen und Bürgern bisher nicht in der notwendigen Transparenz kommuniziert“, so Josef Hasler, Vorstandsvorsitzender der N-ERGIE Aktiengesellschaft.
Die Versorgungssicherheit in Bayern ist nicht der Kernpunkt sondern ein Nebenprodukt der Trassen. Im Rahmen des bayerischen Energiedialogs wurde dies auch durch Vertreter der Bundesnetzagentur (BNetzA) bestätigt.

EU-Energiemarkt und das Übertragungsnetz

Das Marktmodell für den EU-Energiebinnenmarkt basiert auf der idealisierten Annahme, das Stromnetz in der EU funktioniere wie eine „Kupferplatte“: Strom aus erneuerbaren und konventionellen Anlagen kann an jedem Ort der EU erzeugt, in das Netz eingespeist und an die Kunden verkauft werden.
In der aktuellen Diskussion im Rahmen des Energiedialogs Bayern wird
deutlich, dass der Ausbau des Übertragungsnetzes vorwiegend das Ziel hat, die Liberalisierung des EU-Energiebinnenmarkts möglichst reibungslos zu ermöglichen sowie die dafür notwendigen Transportkapazitäten für Transite durch Deutschland und Import/Export an den Grenzen zu den Nachbarländern zu schaffen.
So sieht denn auch der Netzentwicklungsplan (NEP) eine massive Ausweitung der notwendigen Transitkapazitäten innerhalb Deutschlands und eine Erhöhung der Kuppelkapazitäten zu den jeweiligen Nachbarländern vor.

HGÜ verhindern Anreize für Innovationen

Würde der binnenmarktgetriebene Ausbau des Übertragungsnetzes wie geplant umgesetzt, wäre über Jahrzehnte eine Struktur festgeschrieben, in der neue und innovative regionale Versorgungskonzepte deutlich weniger Chancen hätten. Anreize für eine lokale Optimierung über die Nutzung von Flexibilitäten, aus Speichern, Lastmanagement sowie KWK als zukünftige Alternative zu einem Netzausbau wären nicht mehr gegeben.
„Die Kosten der massiv ausgebauten Netzinfrastruktur werden die nächsten Jahrzehnte über Netzentgelte sozialisiert, selbst wenn sich
vielleicht in 10 bis 20 Jahren bessere Alternativen ergeben. Und für eine sinnvolle Optimierung von lokalen und regionalen Versorgungsstrukturen, die auch einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können, gäbe es keine Marktanreize mehr“, so Josef Hasler weiter.
Ein Modell, in dem sich regionale Energiemärkte mit dem übergeordneten Europäischen Übertragungsnetz optimieren, ist unwahrscheinlich.

Welches Marktmodell passt zur Energiewende?

Im aktuellen NEP wird als Basis das bestehende Marktmodell (z. B. Merit-Order) mit der Randbedingung nationaler, subventionierter erneuerbarer Energie verwendet und über Jahrzehnte im Modell fortgeschrieben. Der geplante Netzausbau soll dabei Netzengpässe im Marktgeschehen verhindern.
Ein Netzengpass kann nicht nur durch Netzausbau verhindert werden, sondern auch durch die verbrauchsnahe Ansiedlung von Erzeugung. Hierzu wäre es notwendig, Marktanreize in das zukünftige Marktdesign aufzunehmen.
Selbst die Ausprägung von unterschiedlichen Preiszonen kann unter
Umständen sinnvoll sein, wenn durch die unterschiedlichen Preise
Anreize geschaffen werden, Erzeugungskapazitäten in Zonen mit höheren Preisen zu installieren.
Ein Marktdesign muss also die zukünftige Integration der erneuerbaren Energien gewährleisten und Anreize für eine verbrauchsnahe Erzeugung schaffen.
Die Simulation im NEP ist zu statisch, es ist dringend erforderlich alternative Marktbedingungen zu simulieren. Sämtliche Szenarien gehen von verbrauchsfernen, zentralen Großkraftwerken aus, die einen erhöhten Netzbedarf zur Folge hätten. Das bisherige Verständnis – die Energiewende funktioniert auf Basis einer regenerativen und dezentralen im Wesentlichen verbrauchsnahen Energieerzeugung – geht verloren. Die jetzt im NEP dargestellten Szenarien unter dem bestehenden und angenommenen Marktdesign erzeugen einen offenbar überdimensionierten Netzausbau, der dadurch eine dezentrale und verbrauchsnahe Energiewende erschwert. Es entsteht ein erheblicher Zielkonflikt zwischen der zentralen und dezentralen Energieversorgung.
Letztendlich ist zu befürchten, dass der Bau der HGÜs im derzeit kommunizierten Umfang das Oligopol der Übertragungsnetzbetreiber verfestigt und der regionalen Perspektive der Energiewende der wirtschaftliche Boden entzogen wird.
Text: N-ERGIE, Aktiengesellschaft Presse-Info
Foto: Haberzettl

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Werbung:

Über Habewind Informationsdienst

Dieser Inhalt wird bereitgestellt von Habewind Online

Schreibe einen Kommentar