„Eine Diakonissenleiche lasst ihr mir halten“

Zum 150. Todestag von Wilhelm Löhe

NEUENDETTELSAU (Eig. Ber.)

In einem gemeinsamen Gottesdienst gedachten die Neuendettelsauer Gemeinden und kirchlichen Werke des Lebens und Wirkens von Pfarrer Wilhelm Löhe, der vor 150 Jahren am 02. Januar 1872 im Alter von fast 64 Jahren verstarb. Der Gottesdienst wurde von Pfarrerin Karin Goetz (Diakoneo), Pfarrer Detlev Graf von der Pahlen (Gesellschaft für Mission) und Direktor i.R. Dr. Hermann Vorländer (ehemals Mission EineWelt) gestaltet. Er hob in seiner Predigt die facettenreiche Persönlichkeit Löhes hervor: „Er wirkte als eindrucksvoller Prediger, hervorragender Organisator, begabter Publizist, erfolgreicher Fundraiser und vielseitiger Netzwerker. Er war aber vor allem ein leidenschaftlicher theologischer Lehrer.“

Nach 12 Stationen als Vikar, war Löhe 1837 mit seiner frisch angetrauten, 11 Jahre jüngeren Frau Helene, geb. Andreae, nach Neuendettelsau gekommen. Der (katholische) Kirchenpatron Freiherr Friedrich Karl von Eyb hatte ihm auf Bitten der Kirchenvorsteher die Pfarrei verliehen. „Nicht tot möchte ich in diesem Neste sein“, hatte er bei einer ersten Besichtigung des als „Bettelhöhe“ verspotteten Dorfes bemerkt. Doch schon bald entfaltete er neben seiner gemeindlichen Tätigkeit vielfältige Aktivitäten. 1842 entsandte er die ersten beiden Missionare nach Nordamerika und wirkte entscheidend beim Aufbau der dortigen lutherischen Kirche mit. 1853 verlegte sein engster Freund und Mitarbeiter Friedrich Bauer die auf seine Initiative gegründete Missionsvorbereitungsanstalt von Nürnberg nach Neuendettelsau. Er baute – zunächst auf eigene Kosten –  die „Obere Wirtschaft“ zum heutigen Centrum Mission EineWelt aus. 1854 gründete Löhe im Gasthof „Sonne“ die Diakonissenanstalt (heute Diakoneo). Einen traurigen Einschnitt bedeutete 1843 der frühe Tod seiner geliebten Frau Helene nach nur sechs Jahren Ehe. Als alleinerziehender Vater kümmerte er sich fortan um seine drei Kinder. Über Neuendettelsau hinaus kämpfte er für die Durchsetzung des lutherischen Bekenntnisses in der bayerischen Landeskirche. 

Löhes späteres Leben war nach einem Schlaganfall 1863 von Krankheit überschattet. Er konnte seine vielseitige Tätigkeit als Gemeindepfarrer, Obmann der Gesellschaft für Innere Mission, Rektor der Diakonissenanstalt sowie vielgefragter Seelsorger, Ratgeber und Schriftsteller nur noch mit verminderter Kraft ausüben. Seit 1870 konnte er nicht mehr seine geliebte Kanzel in der Nikolaikirche betreten. Das Sprechen und das Gehen fielen ihm zunehmend schwer. Am Neujahrstag 1872 erlitt er einen Schlaganfall, der zu seinem Tod am Nachmittag des 2. Januar führte. Seine Kinder waren in den letzten Stunden bei ihm.

Am 5. Januar wurde er neben seiner Frau Helene auf dem Dorffriedhof begraben, den er 1839 aus eigenen Mitteln für die Kirchengemeinde erworben hatte. Eine riesige Menschenmenge gab ihm das letzte Geleit, für das er selbst seinen Kindern eingeschärft hatte: „Niemand soll an meinem Grabe reden. Ich will keine Leichenpredigt haben. Eine Diakonissenleiche lasst ihr mir halten.“ Daran hat sich sein Vikar und Nachfolger Johannes Deinzer gehalten, auch wenn viele Anwesende gern eine Würdigung des Toten gehört hätten.

Text: Dr. Hermann Vorländer / Foto: Haberzettl

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