Heute schon gefitzelt?

Ein vergessener fränkischer Brauch

Zu den uralten fränkischen Bräuchen zum Jahreswechsel gehört das sogenannte „Fitzeln“, das noch vor wenigen Jahrzehnten vor allem in ländlichen Gegenden begeistert ausgeübt wurde. „Coole Kids“ von heute haben damit allerdings nichts mehr im Sinn. Zum Fitzeln benötigte man lediglich einen Tannenzweig oder die grünen Zweige eines Lebensbaums oder einer Myrte. Damit gingen die jungen Leute am 28. Dezember, am biblischen „Tag der unschuldigen Kindlein“, zu den Großeltern, erfassten ihre Hände und schlugen mit dem Zweig mehr oder weniger kräftig auf den Handrücken. Dazu sagten sie ihr Fitzelsprüchlein auf, von dem viele Varianten im Umlauf waren. Eine beliebte Version lautete: „Fitzel, fitzel Krone / Ich fitzel nicht zum Lohne / Ich fitzel nur aus Freundlichkeit / Und Dir und mir zur Seligkeit.“ Mit dem frischen Grün der Zweige sollten Wohlbefinden, Kraft und Gesundheit übertragen werden. Natürlich ging es dabei auch um eine angemessene Belohnung, die der Gefitzelte nicht verweigern konnte. Manches Sprüchlein klang sogar ziemlich herausfordernd: „Fitzel, fitzel Krone / Sollt Ihr mir gleich lohnen / Pfeffernüß und Branntewein / Und einen ganzen Taler drein / Gebt Ihr mir gleich mit.“ Gefitzelt wurde im Fränkischen nicht nur am Tag der unschuldigen Kindlein, sondern auch am Neujahrstag. Wie die renommierte Volkskundlerin Annemarie Leutzsch „die „Rettl aus dem Hummelgau“ zu berichten weiß, durfte der Brauch auf dem Land nur am Vormittag ausgeübt werden „bis die Säu gfressn hatten“, also bis zur Fütterung. Sonst blieb das Fitzeln ohne wohltätige Wirkung. Beliebt war der Brauch freilich nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei den Jugendlichen. Hier wurde er an den Tagen vor und nach dem Neujahrsfest zum neckischen Spiel zwischen Burschen und Mädchen. Inzwischen ist das Fitzeln, das im Schwäbischen „Pfeffern“ genannt wurde, so gut wie ausgestorben. Wer kommt in diesen Tagen schon auf einen grünen Zweig?

Text: Bernd Mayer (†) Langjähriger Bürgermeister der Stadt Bayreuth
Foto: Pixabay

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