Im Libanon verschwunden – in Neuendettelsau wieder vereint

Familie verlor auf der Flucht in Beirut einen Sohn – Bürokratische Hürden überwunden

NEUENDETTELSAU (Eig. Ber.)

Am Ende hält Adam Al Shaar (Namen geändert) die Anspannung kaum noch aus – zweieinhalb Jahre lang hat er seinen Sohn Ilias nicht mehr gesehen und nun werden die letzten Minuten am Flughafen in Nürnberg zu Stunden. In der Nacht zuvor hat Adam Al Shaar kein Auge zugetan, berichtet ein Bruder von Ilias, als Ricarda Quass und Pfarrer Dr. Mathias Hartmann von der Diakonie Neuendettelsau die beiden am geplanten Ankunftstag abholen. Im Ankunftsbereich des Flughafens geht Al Shaar nervös auf und ab. Der Flug seines Sohnes wird als „gelandet“ angezeigt. Als mehr und mehr Passagiere die abgesperrte Zone verlassen, fragt sie der besorgte Vater nach seinem Sohn. Es stellt sich heraus, dass dieser an Bord war, doch er kommt lange nicht durch die Tür. Ricarda Quass, die sich bei der Diakonie Neuendettelsau um Flüchtlinge kümmert, spricht schließlich einen Beamten an, ob er etwas über den Verbleib des Jugendlichen weiß. Dieser zeigt den Wartenden einen Ausweis. „Ist es der?“ fragt er und zeigt auf ein Dokument mit dem Bild von Ilias. Die Erleichterung ist groß. „In fünf bis sieben Minuten kommt er“, meint der Beamte. Als die langwierigen Einreiseformalitäten schließlich vorbei sind, können sich Vater und Sohn endlich unter Tränen in die Arme fallen. Dann geht es zurück nach Neuendettelsau, wo die wieder vereinte Familie ein Fest feiert. Bevor in Syrien die Unruhen begannen, führte die Familie dort ein gutes Leben. Der Vater, ein Elektro-Ingenieur, besaß ein eigenes Büro, die älteren Söhne studierten. „Aber dann kam der Krieg“, berichtet Adam Al Shaar. Ihrer Existenzgrundlage durch Zerstörung beraubt, flüchteten sie wie viele andere ins Nachbarland Libanon. Dort wurden sie zwei Jahre später vom UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) als besonders schutzbedürftig eingestuft. Daher bekamen sie als so genannte Kontingentflüchtlinge ein Visum und einen Flug nach Deutschland. Der damals 13-jähriger Sohn Ilias war auf der Flucht in den Libanon plötzlich verschwunden, so dass die Familie schweren Herzens die Entscheidung traf, ohne ihn die Reise anzutreten. In Deutschland verbrachten sie zunächst zwei Wochen in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Friedland. Von dort aus werden die Flüchtlinge nach Quoten den verschiedenen Bundesländern zugewiesen. Der Weg der Familie führte nach Bayern, genauer gesagt in ein Übergangswohnheim in Neuendettelsau. Das Schicksal ihres Sohnes blieb lange ungewiss, bis sie über ein soziales Netzwerk erfuhren, dass er sich wieder zurück nach Syrien durchgeschlagen hatte und sich nun in Damaskus aufhielt. Die Familie ging nun auf Ricarda Quass zu. „Können Sie etwas machen?“ lautete die bange Frage. Sie musste zunächst den richtigen Ansprechpartner finden. Weder über das Flüchtlingskontingent noch als Familienzusammenführung schien zunächst eine Lösung möglich. Der Leiter der Ausländerbehörde im Landkreis Ansbach traf dann schließlich eine Ausnahmeregelung. Da es sich um ein minderjähriges Kind handelt war eine Familienzusammenführung möglich. Damit war aber nur die erste Hürde aus dem Weg geräumt. Ilias musste den Weg aus dem Bürgerkrieg in den benachbarten Libanon noch einmal machen, um dort bei der deutschen Botschaft sein Visum beantragen zu können. Dazu waren Terminvereinbarungen und eine große Menge an Unterlagen nötig. Dies alles galt es von Neuendettelsau in Bayern aus zu organisieren. Dann hieß es wieder warten, denn die Visums-Anträge werden von der Botschaft streng der Reihe nach bearbeitet. Doch schließlich kamen die benötigten Papiere in der Ausländerbehörde in Ansbach an und Ilias erhielt sein Visum.

Ricarda Quass konnte den aus Spenden finanzierten Flug von Beirut über Istanbul nach Nürnberg buchen. Jetzt verbringt die wieder vereinte Familie viel Zeit miteinander in Neuendettelsau. Schließlich ist viel aufzuholen: Aus dem 13-jährigen Kind, das im Libanon verloren ging, ist ein 16-jähriger junger Mann geworden. Zu Ende ist die Geschichte damit nicht, denn Ilias braucht jetzt schnell eine Perspektive. Viele Verwaltungsakte müssen erledigt werden, er muss Deutsch lernen und einen beruflichen Weg einschlagen. Doch Ricarda Quass ist optimistisch, dass der junge Mann seinen Weg machen wird.

Foto: Privat

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Dieser Schnappschuss entstand beim Wiedersehen am Flughafen. Ricarda Quass freut sich mit Adam Al Shaar und seinem Sohn Ilias (Namen der Flüchtlinge geändert) sowie Pfarrer Dr. Mathias Hartmann (im Bild von links nach rechts).

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