Nostalgie und Tradition: Der Lichtenauer Zucker

LICHTENAU

Auf dem Lichtenauer Adventsmarkt gab es auch heuer wieder den Lichtenauer Zucker – ein traditionelles Gebäck mit einer besonderen Geschichte. Ältere Mitbürger erinnern sich vielleicht noch daran, dass dieses Gebäck im Ansbacher Raum bis in die Nachkriegszeit bekannt und beliebt gewesen war. Zum 750. Jubiläum des Marktes Lichtenau im Jahr 1996 hatte der Heimatverein Lichtenau e.V. die schöne Tradition mit viel Engagement und Mühen wieder aufleben lassen, und seitdem sind die handgearbeiteten Figuren zur Weihnachtszeit wieder erhältlich. Als „Docke“ für die Mädchen und „Reiter“ für die Buben waren die ursprünglich etwa 25 cm großen Figuren das traditionelle Geschenk der Paten an ihre Patenkinder. Kleinere Formen wie Vögel, Sterne und Herzen wurden an den Christbaum gehängt. Auffälligstes Merkmal der ausgestochenen Figuren ist die rote Farbe des Teigs. Ein Lichtenauer Apotheker erfand angeblich die Methode, einem Eierzuckerteig eine pfirsichsamtene Färbung zu verleihen. Er nahm dazu etwas aus seinen Vorräten: „Bolusrot“, eine rote Tonerde, die als Heilmittel gegen Magen- und Darmbeschwerden bekannt war. Andere Färbemittel waren Sandelholz oder der Saft von roten Rüben oder Himbeeren. Um die „richtige“ Färbung des Teiges ranken sich so einige Geschichten. Bis in die achtziger Jahre gab es in Lichtenau noch einen Bäcker, der das „echte“ Rezept besaß und den Zucker auch herstellte. Die Bäckerei wurde aufgegeben, aber dem Bäcker war das Rezept mit der typischen Rotfärbung nicht hervorzulocken, hatte er doch seinem Vater versprochen, es niemals weiterzugeben. Woher das geheimnisvolle Rezept damals kam, ist ebenfalls nicht recht geklärt. Friedrich Leuchs, der in den 60er Jahren 93-jährig verstorbene Wirt des Gasthauses „Zur Sonne“ könnte es dem Vater des verschwiegenen Bäckers sogar erst verkauft haben. Eine Enkelin des Wirts erinnerte sich, das Rezept als Kind gesehen zu haben, da man in ihrer Familie den „Lichtenauer Zucker“ selbst hergestellt hatte. Im Heimatverein probierte und testete man kreativ und mit Hilfe der 2004 verstorbenen Ansbacher Modelexpertin Elisabeth Mödlhammer an Teigfarbe und Formen. Es war trotzdem ein mühsames, Geduld erforderndes Unterfangen, musste man doch auch die Papierbildchen – die Oblaten – neu durchdenken und beschaffen. So wurde aus der Docke, einer Art Puppe oder Spinnerin, ein Engel und aus dem Reiter in militärischer Tracht ein Pelzmärtel. Das Ergebnis war ein toller Erfolg beim Jubiläumsjahr-Weihnachtsmarkt 1996. Eine alte Tradition wurde seitdem durch das Engagement der Heimatvereinsmitglieder neu belebt und ins Gedächtnis der Lichtenauer zurückgeholt. Übrigens: Dass das wirklich echte, einzig richtige Rot des Lichtenauer Zuckers ursprünglich vom Staub der Lichtenauer Ziegelei hergerührt habe, kann man wohl getrost als Gerücht abhaken!

Text: Susanne Hassen / Foto: Schneider

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