Schlachtschüssel weckt Erinnerungen

Seniorenheim-Bewohner stellten eigene Leberwurst her

WOLFRAMS-ESCHENBACH (Eig. Ber.)

Erwähnt Heidi Jank, Leiterin der sozialen Betreuung im BRK-Seniorenwohnen Wolframs-Eschenbach, die Schlachtschüssel, fängt ihr Gegenüber an zu Strahlen. Obwohl die Frau mit Demenz manchmal nicht weiß, wo sie wohnt, kann sie sich noch genau an den jährlichen Dorfevent erinnern. „Das Schlachten der hauseigenen Tiere gehörte früher zum Alltag und war immer ein großes Fest“, erklärt Jank. An wenigen Tagen wurde so Fleisch für das ganze Jahr produziert und durch Pökeln oder Räuchern haltbar gemacht. Um an diese Tradition anzuknüpfen, feiert das BRK-Seniorenwohnen einmal im Jahr ein eigenes Schlachtschüsselfest, bei dem Bewohner ihre eigene Leberwurst herstellen. Um zehn Uhr morgens geht es los. Zur Unterstützung reist sogar ein pensionierter Metzger an. Gemeinsam richten Senioren und Betreuer den Kessel mit der Brühe an, bereiten Eimer vor, und stellen Gläser für die fertige Wurst auf den Tisch. Der Duft von Leberbrät und Kraut hängt in der Luft. „Schon allein durch diesen Geruch leben die Senioren auf und erinnern sich an viele Details“, berichtet Jank, die seit 2004 im Heim arbeitet. „Wir hatten früher fünf Säue“, erzählt eine 71-Jährige stolz, während sie den traditionellen Kittel anprobiert, den Jank mitgebracht hat. Während die Wurst siedet, wecken Bilder und schlachttypische Gegenstände Erinnerungen an das Schlachten zuhause. Beispielsweise der Glockenschaber, mit dem der Vater das Fell vom Tier entfernt hat. Oder das Stück Stahl zum Schärfen des Messers. Manche Senioren imitieren die typische Wetz-Bewegung. Beim Schlachtschüsselfest im Seniorenwohnen wird allerdings kein Schwein geschlachtet. Stattdessen liefert der Metzger das Fleisch. Das Verarbeiten lässt sich die Festgemeinde allerdings nicht nehmen. „Die jungen Leute wissen heutzutage gar nicht mehr, wie man eine Sau schlachtet“, bedauert ein Bewohner, während er die Wurstmasse in ein Stück Darm abfüllt, diesen anschließend dreht und dann mit Bindfaden fixiert. Anschließend wird die Wurst in der Kesselsuppe gekocht. „Aber nicht zu lange, sonst ist sie kaputt“, klärt der 84-Jährige fachmännisch auf. Schließlich habe er für diesen Fauxpas früher oft genug, Ärger kassiert. Nach getaner Arbeit stärken sich die Senioren erst an der heißen Brühe, dann an der eigenen Wurst. „Und für den Metzger gibt es einen Schnaps“, lacht Jank. Darauf habe einer der Senioren bestanden. Der Metzger bekäme immer einen Schnaps.

Foto: Heidi Jank

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