Vor 35 Jahren erlangte Merkendorf seine kommunale Selbstverwaltung zurück

Der schwierige Weg zurück in die Eigenständigkeit

MERKENDORF

Die Kreis- und Gemeindegebietsreform in Bayern in den 1970er Jahren war eine aufregende und emotionale Zeit. Die Reform, die von 1971 bis 1980 dauerte, hatte das Ziel leistungsfähigere Gemeinden und Landkreise zu schaffen. Oft ging es nicht ohne Schwierigkeiten und Streitigkeiten. Das Beispiel der heutigen Einheitsgemeinde Merkendorf im heutigen südöstlichen Landkreis Ansbach zeigt dies anschaulich. Doch zunächst einmal die Vorgeschichte: Am 25. Januar 1952 trat eine neue Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern in Kraft. Darin wird in Paragraph 11 bestimmt, dass eine Änderung von Gemeindegrenzen nur vorgenommen werden kann, wenn die beteiligten Gemeinden einverstanden sind. Beim Vorhandensein von dringenden Gründen des öffentlichen Wohls sind Änderungen aber auch gegen den Willen der beteiligten Gemeinden möglich. 1967, zu Beginn der sechsten Wahlperiode des Bayerischen Landtags, strebten sowohl die regierende CSU, als auch die oppositionelle SPD eine Reform der Kommunalverwaltung an. Die SPD ging in ihren Plänen viel weiter als die CSU. Die Sozialdemokraten wünschten sich die Auflösung der Regierungsbezirke und der Landkreise und wollten so genannte „Verwaltungsregionen“ schaffen. Die Kommunen sollten in Verwaltungsgemeinschaften von 5.000 bis 10.000 Einwohnern zusammengelegt werden. Die regierende CSU wollte die Bezirke und Landkreise beibehalten, jedoch deren Zahl deutlich verringern und damit die Einwohnerzahlen dieser Gebietskörperschaften erhöhen. Ministerpräsident Alfons Goppel (CSU) kündigte die Gebietsreform am 25. Januar 1967 an. Sie wurde von Bayerns Innenminister Bruno Merk (CSU) initiiert. Die Gebietsreform sollte in zwei Schritten verwirklicht werden: 1. die Gebietsreform zur Neugliederung Bayerns in Landkreise und kreisfreie Städte 1972 und 2. die kommunale Gebietsreform, die ab 1972 zuerst auf freiwilliger Basis und dann ab 1978 mit Zwangseingemeindungen verwirklicht wurde.

Die Kreisgebietsreform trat am 1. Juli 1972 in Kraft und schuf die Großkreise Ansbach und Weißenburg-Gunzenhausen. Bayernweit wurden die Landkreise von 143 auf 71 verringert. Die Gemeindegebietsreform von 1972 bis 1978 verringerte die Zahl der Gemeinden von 6.962 im Jahr 1970 auf 2.051 und trat am 1. Mai 1978 in Kraft.

 

Wie sah das jetzt konkret im Fall Merkendorf aus?

Im Rahmen der Gemeindegebietsreform warben die großen um die kleinen Gemeinden. Die Gemeinde Heglau entschied als erste im Landkreis Gunzenhausen zum 1. Januar 1971 der Stadt Merkendorf beizutreten. Bereits im März des gleichen Jahres suchte die Krautstadt das Gespräch mit den Nachbargemeinden Gerbersdorf, Großbreitenbronn und Hirschlach. Da Biederbach geografisch näher an Merkendorf liegt, sollte diese Gemeinde auch mit eingegliedert werden. Der Bayerische Landtag verabschiedete am 27. Juli 1971 das Erste Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Zusammen mit dem Vollzug der Kreisgebietsreform entschied der Gemeinderat Gerbersdorf ab 1. Juli 1972 seine Selbstständigkeit aufzugeben und die Gemeinde zu teilen. Der namensgebende Ort kam zur Stadt Merkendorf, der Ortsteil Waizendorf zur Stadt Wolframs-Eschenbach. Bei den Kommunalwahlen 1972 wählten die Gerbersdorfer beziehungsweise die Waizendorfer in ihren neuen Gemeinden.

Das Landratsamt Ansbach hatte eigene Vorstellungen zur Gebietsreform. So sah die Kreisbehörde im März 1973 eine Einheitsgemeinde aus der Stadt Merkendorf, dem Markt Weidenbach und den Gemeinden Großbreitenbronn und Hirschlach vor. Eine Alternative war eine Verwaltungsgemeinschaft (VG) Triesdorf mit den Kommunen Burgoberbach, Weidenbach mit Großbreitenbronn, Merkendorf mit Hirschlach, Wolframs-Eschenbach mit Biederbach und Selgenstadt, Ornbau und Arberg mit Lellenfeld. Als weiterer Vorschlag führte das Landratsamt Ansbach eine VG bestehend aus der Stadt Merkendorf mit den Gemeinden Großbreitenbronn und Hirschlach und der Stadt Wolframs-Eschenbach mit den Gemeinden Biederbach und Selgenstadt an.

Die Stadt Merkendorf war nicht untätig und legte einen eigenen Vorschlag zur Bildung einer großen VG vor. Sie sollte ihren Sitz in Merkendorf haben, jedoch ohne den Markt Arberg und die Gemeinde Burgoberbach. Der Vorschlag wurde den betreffenden Gemeinden schriftlich vorgelegt, genau wie dem Landratsamt. Die Krautstadt bot darin Gesprächsbereitschaft an. Weidenbach und Ornbau lehnten ab. Vom Rest kam keine Antwort. Die Stadt Wolframs-Eschenbach lud am 5. Mai 1973 zu einem Runden Tisch ein, um die Vorschläge des Landkreises und der Nachbarstadt Merkendorf zu diskutieren. Die Gemeinde Mitteleschenbach war nicht erschienen. Die Unterredung führte zu keinem Ergebnis. Der Merkendorfer Stadtrat nahm an der Diskussion teil. Es war jedoch zu erkennen, dass die Minnesängerstadt den alleinigen Führungsanspruch in einer VG erhob. Im November waren die Merkendorfer Stadtältesten bei der Mönchswaldgemeinde Mitteleschenbach. Auch dieser Termin führte zu keinem nennenswerten Ergebnis, wollten doch alle großen Gemeinden nichts aufgeben. Eine gegenseitige Rivalität war zu spüren. Die Gemeinden Großbreitenbronn und Hirschlach ließen jedoch bald erkennen, dass sie sich der Stadt Merkendorf anschließen würden. Dies stärkte die Haltung der Krautstadt erheblich. Man ging davon aus, dass Merkendorf die einwohnerstärkste Gemeinde im Umkreis werden würde.

Die Merkendorfer Bevölkerung hegte aber auch Sympathien für eine Zusammenlegung mit dem Markt Weidenbach oder der Stadt Wolframs-Eschenbach zu einer Einheitsgemeinde. Am 5. August 1975 wurde Bürgermeister Heinrich Helmreich (CSU) der Entwurf eines Antrags zur Gründung einer Bürgerinitiative vorgelegt, die den Stadtrat veranlassen sollte, mit Weidenbach Verhandlungen für eine Fusion aufzunehmen. Und das notfalls gegen den Willen des Stadtoberhaupts. Im Antrag wurden bereits konkrete Vorschläge formuliert: So sollte die neue politische Gemeinde den Namen Merkendorf tragen, der Sitz der Verwaltung in Weidenbach sein und eine Verwaltungsnebenstelle in Merkendorf eingerichtet werden. Die Erklärung von Bürgermeister Helmreich, dass dieses Vorhaben der Dolchstoß für die vom Stadtrat vertretene Haltung sei, ließ die Antragsteller von diesem Vorhaben abrücken. Merkendorf hatte Angst seine kommunale Selbstverwaltung zu verlieren. Landtagsabgeordneter Friedrich Bauereisen aus Ehingen vermittelte schließlich ein Gespräch mit Innenminister Dr. Bruno Merk im Landtag. 50 Minuten lang legten die Krautstädter ihre Argumente dar, jedoch ohne Erfolg. Am 1. September 1975 beschloss der Gemeinderat Großbreitenbronn den Zusammenschluss mit Merkendorf. Am 8. September wurde der Eingliederungsvertrag mit der Gemeinde Hirschlach abgeschlossen.

 

Krisensitzung im Landratsamt

Am 22. Dezember 1975 fand eine Dienstbesprechung im Ansbacher Landratsamt statt. Mitteleschenbach, Ornbau und Weidenbach stimmten darin der Bildung einer großen VG mit Sitz in Triesdorf zu. Noch am 31. Dezember versuchten Beamte des Landratsamtes den Merkendorfer Stadtrat umzustimmen. Jedoch vergebens. Nach Ablauf dieses Jahres eröffnete die Regierung von Mittelfranken das abschließende Verfahren zur Neugliederung der Gemeinden. Der Stadtrat Merkendorf blieb am 12. Januar 1976 bei seiner Entscheidung, keiner VG beizutreten. Am 30. Januar machte die Stadt eine Eingabe an den Petitions-, Verfassungs-, Rechts- und Kommunalausschuss des Landtags. Diese Petition sah vor, den Fall Merkendorf noch einmal zu überdenken. Am 7. April wurde Merkendorf zwangsweise der VG Triesdorf zugeordnet. Um dies in letzter Minute doch noch zu verhindern, reichte die Stadt am 21. Juli 1977 Klage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein.

 

Es kommt zum Prozess

Die Verhandlung fand am 14. Dezember 1977, 10 Uhr, statt. Merkendorf war vertreten durch Ersten Bürgermeister Heinrich Helmreich, Zweiten Bürgermeister Johann Reif und Ernst Linck, der das Verfahren mit vorbereitet hatte. Das Bayerische Fernsehen berichtete von der Verhandlung in der Abendschau. Die Verhandlung dauerte drei Stunden. Die Verkündung des Urteils legte das Gericht auf den 2. März 1978, kurz vor den Kommunalwahlen, fest. Die Klage der Stadt Merkendorf wurde vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof abgewiesen. Noch am gleichen Tag lud die Stadt zu einer Bürgerversammlung, um die Merkendorfer von dem Urteil zu unterrichten. Zum 1. Mai 1978 musste die Verwaltung also nach Triesdorf verlagert werden. Das Fernsehen war auch hier wieder mit dabei. Doch Bürgermeister Helmreich, Stadtrat und die Bürger gaben sich mit dem Urteil nicht zufrieden. Die Stadt richtete Eingaben an alle zuständigen Behörden, an die Fraktionen der CSU, SPD und FDP im Landtag, an die zuständigen Abgeordneten, an das Innenministerium und sogar an Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU). Dann, am 24. Januar 1979, stellte die Stadt Merkendorf einen offiziellen Antrag zur Entlassung aus der VG Triesdorf. Im Rahmen des Gesetzes zum Abschluss der kommunalen Gebietsreform kam es zur Auflösung der VG Triesdorf. Die Stadt Merkendorf erhielt zum 1. Januar 1980 seine Selbstverwaltung zurück. Heute sind Weidenbach und Triesdorf in der VG Triesdorf und Wolframs-Eschenbach und Mitteleschenbach in der VG Wolframs-Eschenbach zusammengeschlossen.

Es war für die Merkendorfer ein langer und harter Weg zurück in die kommunale Selbstverwaltung, der sich am Ende aber für sie gelohnt hat.

Text: Daniel Ammon / Fotos + Grafik: Archiv Stadt Merkendorf

a Bürgermeister Georg Uhlmann (r.) übergibt das Gemeindesiegel von Heglau an Bgm. Heinrich Helmreich, 1970-71

Bürgermeister Georg Uhlmann (r.) übergibt das Gemeindesiegel von Heglau an Bgm. Heinrich Helmreich, 1970-71

a Entwicklung Stadtgebiet Merkendorf 1971-1978

Entwicklung Stadtgebiet Merkendorf 1971-1978

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