Vor 70 Jahren feierte die evangelische Gemeinde Merkendorf das Richtfest ihrer zerstörten Stadtkirche

Auferstanden aus Ruinen

MERKENDORF

Ehrwürdig und imposant thront sie auf der höchsten Erhebung der Stadt – die Stadtkirche von Merkendorf. Fast meint man, die Geschichte konnte ihr nichts anhaben. Doch das ist ein Irrtum. Vor etwas mehr als 70 Jahren ragte an ihrer Stelle eine ausgebrannte Ruine in den blauen Himmel.

Am 18. April 1945 brach das Unheil über die Heimat herein, als US-amerikanische  Truppen das Landstädtchen beschossen (wir berichteten 2015 ausführlich). Doch sie bauten ihren Ort wieder auf. Die Schreckenstage am Ende des Zweiten Weltkrieges haben die Merkendorfer jedoch noch in Erinnerung als sie vor 70 Jahren, am 16. August 1947, Richtfest an ihrer zerstörten Stadtkirche „Zu Unserer Lieben Frau“ feiern konnten. Eine Meisterleistung, wenn man bedenkt, dass es nach der Stunde Null überall in Deutschland an Material zum Wiederaufbau mangelte. Doch die Merkendorfer vermissten ihre Kirche und so begann kurze Zeit nach der Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 der Wiederaufbau. Wie ging dieser voran und wo gab es Probleme? Trotz des Wiederaufbaus mussten die gewohnten Gottesdienste stattfinden. Dazu musste man improvisieren. So hielt Stadtpfarrer Wilhelm Boß den ersten Gottesdienst am 22. April im Gasthaus Fleischner in Neuses. Danach feierte man in der Friedhofskapelle. Da diese jedoch viel zu klein war, wich man nach Pfingsten in die beim Krieg nicht zerstörte TSV-Halle aus. Zu den Gottesdiensten läutete die Glocke im Unteren Tor. Da das Ganze nur eine Notlösung war, begannen die Krautstädter schnell mit dem Beiseite Räumen des Schuttes aus dem Kircheninneren. Man begann zu schauen, wo man Baumaterial herbekam: Es wurden 150 Festmeter Langholz aus dem Staatsforst für den Kirchenaufbau zugeteilt. Mit den wenigen Bulldogs, mit Pferde- und Kuhgespannen holten die Bauern die Stämme aus dem Wald und brachten sie in die Sägewerke nach Dürrnhof, Arberg und Schlungenhof. Die Merkendorfer mussten schnell sein, denn zur Sperrstunde um 18 Uhr hatten alle wieder zu Hause zu sein. Auch Zement war Mangelware. Doch Fritz Weiß fand ein Zementwerk im Rheinland, das bereit war, einen Waggon Zement gegen Lebensmittel bereitzustellen. Die Mitglieder des Kirchenbauausschuss sammelten in der Bevölkerung dafür Lebensmittel.

Dieser Kirchenbauausschuss wurde gegründet, um den Stadtpfarrer beim Wiederaufbau zu unterstützen. In Ihm saßen neben dem Geistlichen Wilhelm Boß und den Kirchenvorstehern Karl Beißer, Georg Dürr, Adam Engelhard, Johann Heinrich, Friedrich Hemm, Karl Kolb, Christian Linck, Karl Rück und Johann Sichart, Heinrich Ammon, Georg Kandel, Georg Simon und Friedrich Weiß. Bei der obigen Sammelaktion des Ausschusses wurden sie angezeigt. Jedoch nachdem der Zement eingetroffen war. Auch Backsteine für das Auskleiden der Mauern fehlten. So machte sich eine Gruppe Merkendorfer Burschen unter Leitung von Ernst Reif auf den Weg nach Ingolstadt, wo sie Steine aus den Festungsanlagen brachen. Die Steine wurden per Bahn nach Triesdorf geliefert. Auf der Baustelle säuberten Frauen, Mädchen und alte Männer diese von Mörtelresten. Die Sandsteine für den Chorbogen stammten von einem Steinbruch bei Obererlbach und die für die Rippen des Chorgewölbes aus Oberdachstetten. Der Steinmetzmeister Rudolf Grimme und die Steinmetzen Andreas und Georg Scheftner waren verantwortlich für die Steine auf der Kirchenbaustelle. Die Platten für den Bodenbelag kamen aus einem Treuchtlinger Marmorwerk. Anfang Juni 1947 wurde das Gebälk für den Dachstuhl eingebaut. Am 16. August war dann Richtfest. Da stand nun die Gemeinde dicht gedrängt, im Chorraum lagen große Steine von den Bauarbeiten herum, ein kleines Bäumchen war der einzige Schmuck in der schmucklosen Kirchenruine. Stadtpfarrer Boß stand vor einem notdürftig als Altar hergerichteten Tisch mit weißer Decke. Alle waren gespannt. Nach altem Brauch sprach nun der Polier der Zimmerleute seinen Spruch vom Gebälk. Pfarrer Boß legte seiner Predigt das Bibelwort zu Grunde: „Auf dass dem Herrn ein Haus gebauet werde“.

Am 3. Dezember 1947 meldete die Fränkische Landeszeitung, dass durch die große Opferbereitschaft der Merkendorfer nun Ziegel für das Dach beschafft werden konnten. „In mühevoller Gemeinschaftsarbeit wurde das Dach von der Einwohnerschaft gedeckt“, liest man da. Der Innenausbau war nun an der Reihe. Das Kirchenschiff erhielt Holzemporen und ein Tonnengewölbe. Der Bildhauer Heinz Heiber aus Nürnberg schuf aus Sandstein vom Schmausenbuck die Kanzel mit den Symbolen der vier Evangelisten Matthäus (Engel), Markus (Löwe), Lukas (Stier) und Johannes (Adler). Der Altartisch und der Taufstein entstanden auch aus Nürnberger Sandstein. Am 31. Oktober 1948 fand die Wiederweihe statt. Es war das Reformationsfest. Der Kirchenvorstand zog mit den Ehrengästen von der Friedhofskapelle zur Stadtkirche. Davor wartete die Merkendorfer Gemeinde, die gespannt auf das Öffnen der Türen wartete. Die Blicke gingen sofort nach oben und bewunderten die neue, prachtvolle Holztonnendecke. Die gute Akustik, die mit der Decke in die Kirche einzog, veranlasste später den Windsbacher Knabenchor dazu, in Merkendorf Rundfunkaufnahmen zu machen. Eine schlichte Holzdecke überspannte den Chor. 1950 erfolgte der Bau des Chorgewölbes. Als Orgel diente ein Harmonium. Der Einbau der Orgel aus Göttingen von der Orgelwertstatt Ott erfolgte im Herbst 1953. Ein schlichtes Holzkreuz überragte den Altar. Erst 1955/56 erhielt dieser seine heutige Gestalt mit den sechs Leuchter tragenden Engeln des Kapsdorfer Bildhauers Josef Traxler. Das Kirchengestühl war halb vorhanden. Im Ort sammelte man Stühle, die im hinteren Teil des Kirchenschiffes aufgestellt wurden. Zwei Glocken aus Merkendorf hatten den Krieg in Hamburg überstanden und läuteten nun den Festtag ein. Mit dem Segensspruch „Lass die Kirche feste stehn, bis die Welt wird untergehn!“ übergab Oberkirchenrat Koch aus Ansbach nach der Weihe die Stadtkirche an Pfarrer Boß. Als Grußredner waren geladen der Regierungspräsident von Ober- und Mittelfranken Dr. Hans Schregle, der Gunzenhäuser Landrat Dr. Galster und der Gunzenhäuser Dekan Weber, der als Geschenk eine Gabe der Pfarrer des Dekanats übergab. Die Oberbauleitung beim Wiederaufbau hatte Regierungsbaumeister Eberhard Braun aus Erlangen, die örtliche Bauleitung oblag Steinmetzmeister Rudolf Grimme aus Herrieden. Auch Boß‘ Vorgänger hatte sich für den Wiederaufbau engagiert. Kirchenrat Adolf Kirsch fuhr unzählige Male mit dem Fahrrad von Neuendettelsau in die Krautstadt, um dem Aufbau beizuwohnen. 1949 stiftete Margarete Meyer vom  Bahnhof Triesdorf eine neue Glocke. Sie wurde in Heidelberg gegossen und hängt als „Friedensglocke“ im Kirchturm. Es gab einen großen Festzug zum Einholen der Glocke. Der Mädchenkreis und der Posaunenchor führten den Zug an. Stadtpfarrer Boß hielt danach eine Andacht. Damit war die Kirchenausgestaltung jedoch noch lange nicht fertig. In den nächsten Jahren folgten, wie oben bereits erwähnt, weitere Schritte zum Verschönern des Gotteshauses. Und auch heute stehen Maßnahmen an. Nach der großen Außenrenovierung, die 2009 ihren Abschluss fand, steht nun die Innenrenovierung mit der Orgelsanierung ins Haus. Es ist ein stetiges Erneuern notwendig, damit die ehrwürdige Stadtkirche noch lange über das Merkendorfer Krautland schaut. Auch an der anstehenden Kirchweih wird sich die Merkendorfer Gemeinde daran erinnern.

Wer mehr über das Kriegsgeschehen in Merkendorf und den Wiederaufbau erfahren möchte, kann in der Stadtverwaltung Merkendorf das Buch „Krieg und Frieden – Merkendorf 1944-1949“ des Heimatforschers Wilhelm Koch erwerben.

Text: Daniel Ammon / Fotos: Archiv

 

Der Kirchenbauausschuss mit Stadtpfarrer Wilhelm Boß (4. v. r.)

 

Viele Freiwillige packten beim Wiederaufbau ihrer Stadtkirche mit an.

Die Gemeinde versammelte sich stehend in der Stadtkirche, um dem Gottesdienst zum Richtfest beizuwohnen. Vorne steht Stadtpfarrer Wilhelm Boß am Notaltar.

 

Mit einem Pferdegespann wurde die dritte Glocke 1949 zur Stadtkirche gebracht. Ihm folgte ein langer Festzug. Vorneweg der Posaunenchor mit dem Mädchenkreis. Hier passiert der Zug die Brauerei Hellein.

Werbung:

Über Habewind Informationsdienst

Dieser Inhalt wird bereitgestellt von Habewind Online

Schreibe einen Kommentar