Erinnerung an die Euthanasie

Eine Wanderausstellung erinnert an ermordete Menschen mit Behinderung und thematisiert aktuelle Entwicklungen

Neuendettelsau, 06.10.2021 – 270.000 Menschen mit Behinderung sind im Dritten Reich ermordet worden. Eine Wanderausstellung erinnert an 1.000 Bewohner diakonischer Einrichtungen in Neuendettelsau und Schwäbisch Hall, die zwischen 1939 und 1945 der „Euthanasie“ zum Opfer gefallen sind. Am Montag ist sie vor der Kirche St. Laurentius eröffnet worden. Sie wird unter anderem auch in Ansbach, Kulmbach, Schwäbisch Hall und Gunzenhausen zu sehen sein.
Über 1.000 Menschen sind allein aus den Einrichtungen in Bruckberg, Engelthal, Himmelkron, Neuendettelsau, Polsingen und Schwäbisch Hall abtransportiert worden. Entweder verhungerten sie in staatlichen Pflegeheimen oder wurden in ausgewählten Heimen gezielt getötet. Ernstzunehmende Schätzungen rechnen mit insgesamt 270.000 Opfern, von den Nationalsozialisten als „unwertes Leben“ klassifiziert, zwischen 1939 und 1941 systematisch vernichtet und bis 1945 unter unmenschlichen Bedingungen in staatlichen Heimen zu Tode vernachlässigt.
„Wir sind uns bei Diakoneo unserer Verantwortung bewusst“, sagt Vorstandsvorsitzender Dr. Mathias Hartmann. Zwar habe man in den diakonischen Heimen versucht, viele der „Pfleglinge“ zu retten, „man ging aber nie über den legalen Widerstand hinaus“. „Dass die Verlegung in Heil- und Pflegeanstalten nur ein Vorwand war, ist uns klar“, steht in der Hauschronik 1941 einer Einrichtung in Himmelkron. In Neuendettelsau erinnert sei den 80er Jahren eine Inschrift an diese grausamen Taten, Diakoneo hält die Erinnerung mit Gedenkveranstaltungen, Gottesdiensten und Tagungen am Leben. Jetzt eben mit der Wanderausstellung zum Thema „T4“.
„T4“ erinnert an die Tiergartenstraße 4 in Berlin, von wo aus der Mord an Menschen mit Behinderungen organisiert worden ist. Martin Braun, Sandra Weiß und Steffi Scherer erklärten bei der Eröffnung in der St.-Laurentius-Kirche in „leichter Sprache“, was in der Ausstellung zu erfahren ist. Kinder und Erwachsene, Männer und Frauen, Menschen, die erkennbar behindert sind, andere, denen man es nicht ansieht: Zwölf lebensgroße Silhouetten tragen die Texttafeln der Ausstellung, in denen es um „Rassenhygiene“, Zwangssterilisation und die Idee, Leben in nützlich oder unnütz einzuteilen. Es geht aber vor allem um Menschen wie Edeltraut Reinhardt, 1928 geboren, schwer erkrankt, mit der Diagnose „Idiotie“ 1940 verlegt und 1941 ermordet. Sie war bei
weitem nicht die Jüngste. Auch Dreijährige sind in den
Tötungsanstalten ums Leben gebracht worden – genauso wie 83-
Jährige.
„Die Ausstellung ist nur der Rote Faden“, sagt Jürgen Zenker, Vorstand
bei Diakoneo. Die Wanderausstellung soll von unterschiedlichen
Aktionen begleitet werden. Kunst, Musik, Vorträge und Diskussionen
sind geplant. Genau deshalb waren die für das Frühjahr geplante
Eröffnung und die Wanderung der Ausstellung verschoben worden. Von
Mai 2022 bis Herbst 2023 wird sie nun in Bayern und Baden-
Württemberg zu sehen sein. Und auch Anstoß für den heutigen
Umgang mit Menschen mit Behinderung sein. Pränatal-,
Präimplantationsdiagnostik oder Gentechnik sind die Schlagworte, die
in der Ausstellung ebenfalls angeschnitten werden, und über die es zu
reden lohnt. Zu sehen ist die Open-Air-Ausstellung jetzt für
voraussichtlich zwei Wochen vor der St. Laurentiuskirche in
Neuendettelsau.
Weitere Informationen zur Ausstellung gibt der Leiter des Archivs von
Diakoneo, Matthias Honold unter Tel.: 09874 8-2590 oder per Mail
matthias.honold@diakoneo.de

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