Helmut Billing aus Wassermungenau besitzt einzigartige Sammlung

Weltenbummler und ein Freund der Karten

WASSERMUNGENAU

Mit über 10.000 Postkarten verfügt Helmut Billing aus Wassermungenau über eine sowohl in Umfang, als auch Sortierung einmalige Sammlung. Er ist ein echter Philokartist – „ein Freund der Karten“. Selbstverständlich kennt er die über 150jährige Geschichte, von der Correspondenz-Karte (wo eine Seite ausschließlich für Absender, Adresse und Briefmarke zur Verfügung stand und auf der anderen Seite der Text um das Foto herumgeschrieben wurde), über die Feldpostkarten bis hin zu den klassischen Urlaubskarten.

Die Gründe, die damals schnell zum Boom der Postkarten führten, sind es, die inzwischen den Abschwung verursachen: der Einsatz von modernen, attraktiveren Druckverfahren, die geringe Verbreitung von Bildmedien wie Illustrierten oder Fotografien und das Fehlen von besseren alternativen Kommunikationsformen – noch kaum jemand hatte ein Telefon und Telegramme waren teuer. Selbstverständlich trugen die beiden Weltkriege ebenfalls zur Ausbreitung der Postkarte bei. Neue Verkehrsmittel, eine zunehmende Reisewelle verhalfen der Ansichtskarte zu einem echten Boom, Urlaubskarten wurden aus und auf der ganzen Welt geschrieben. Letztere verlieren immer mehr an Bedeutung, dieses einst so günstige Kommunikationsmittel wird zusehends, zum Leidwesen Billings, immer mehr von der bequemen digitalen Kommunikation verdrängt. Der 150jährigen Postkartengeschichte hat Billing einen eigenen Ordner gewidmet. Seine Sammlung ist in drei Kategorien gruppiert: Historie, Länder unserer Erde, und Bergwelt. Bei den historischen, teilweise über hundert Jahre alten Karten dominieren Landschaften, Orte, Städte, Bauwerke, Technik mit Mobilität vom Automobil bis zum Zeppelin, sowie Poesie-, Gruß- und Glückwunschkarten.

Aber das ist nur der halbe Helmut, seiner Leidenschaft, Wandern und Bergsteigen entsprechend, sind unter den etwa 600 Postkarten alle 14 „Achttausender“ seinem Lieblingsthema „Bergwelt“ gewidmet, darin lebt er sein Fernweh aus. Mit Ausnahme von Australien und Südamerika hat der heute 66jährige alle Kontinente bereist, erwandert oder deren markante Berge erklommen. Stundenlang könnte Billing über interessante Erlebnisse berichten, insbesondere von seiner Trekking-Tour 1979 im Mount Everest Gebiet. Als er zum 5305 Meter hohen Taboche aufbrach, traf er die beiden Bergsteigerlegenden Reinhold Messner und Sir Edmund Hillary. Beide bezwangen nicht nur den mit 8848 Meter höchsten Berg der Erde, den Mount Everest, sie schafften es jeweils als erste: Hillary 1953 die Erstbesteigung, Messner 1978 als erster Mensch ohne Sauerstoffgerät. Der Weltenbummler aus Abenberg gab sich mit dem Blick zum Dach der Welt zufrieden – für ihn immer noch ein unvergessener Moment. Mit Fußball, Leichtathletik und Klettern in den Alpen beim DAV trainierte er seine körperliche Fitness für den Fünftausender und weitere Touren. Fast verblasst da seine vierwöchige 550 Fluss-Kilometer lange Zweier-Kanadier-Tour in Alaska 1981, von den zahlreichen Wandertouren, unter anderem durch Indien, ganz zu schweigen. Diese Aktivitäten sind bei „Länder unserer Welt“ eingeordnet. Laut Wikipedia hat die Erde 195 Staaten, mit 151 Länderkarten hat der Wassermungenauer ein immenses globales Sammelwerk mit Angabe von Kontinent, Größe, Hauptstadt, Einwohnerzahlen.

Passend zum Thema holt Helmut Billing ein spezielles Postkartensammelalbum aus dem Schrank, dann noch eins, dann noch… Lange muss der frühere Buchhalter nicht suchen, akkurat und penibel reihen sich zahllose Ordner sorgfältig beschriftet in der Vitrine aneinander. Ordner eins führt zurück an den Beginn seiner Sammelleidenschaft. Hier kommt Tante Frieda ins Bild, die Schwester seines Vaters, Frieda Gundel reiste schon früh und schrieb Postkarten nach Hause. Oft von Südtirol und den Dolomiten. Davon war Neffe Helmut fasziniert, begann ebenfalls zu sammeln und erbte deren Kartensammlung. Hinzu kam ein Ereignis: der gebürtige Abenberger fand zwei Zigarrenkisten mit fernen Briefen und Karten bis aus Amerika am Sperrmüll. Das kann man doch nicht wegwerfen, das sind doch Zeitdokumente, die muss man doch der Nachwelt erhalten, dachte der junge Billing. Diesen Grundsatz lebt er bis heute und archiviert nicht nur das Dorfgeschehen mit allen Publikationen, Dokumentationen und Bildern. Auch sein Abenberg liegt ihm bis heute am Herzen und so ist das Zeitgeschehen der Stillastadt in Billings Archiv ebenso komplex gesichert wie das Wassermungenauer. Über 20 Jahre berichtete Helmut Billing als freier Mitarbeiter im Schwabacher Tagblatt und regionalen Blättern vom Vereins- und Dorfleben Wassermungenaus und darüber hinaus. Alle Artikel hat er fein säuberlich chronologisch geordnet und jederzeit griffbereit. Braucht jemand Information über Vereine, Ereignisse oder dergleichen – dann ist er bei Archivar Helmut Billing am Fischbach gut aufgehoben. Wie vor zwei Jahren bei der Erstellung des Wassermungenauer Heimatbuches „Heimat, Häuser, Menschen“, wo er sich bereitwillig mit Wort und Bild einbrachte.

Aber primär sind die Postkarten sein Leben. Zuträger und Absender hat er in einem interaktiven Netzwerk inzwischen weltweit. Seien es Bekannte, Verwandte, Gleichgesinnte oder Bekanntschaften seiner Trekkingtouren, selbst Austauschschüler und Praktikanten der regionalen Landwirtschaft bedienen die Adresse „Am Fischbach“. All jenen, die „dem Helmut a Kärtla schicken“ ist er von ganzen Herzen dankbar. Aktuell wartet er täglich auf Post von seiner letzten Afrika-Tour. Die Neugier an fremden Kulturen, wie weltweit andere Menschen leben, das interessiert ihn. Derzeit ist sein Fokus auf Afrika gerichtet, von den 58 Ländern besitzt er „nur“ von 31 Postkarten und hofft täglich, dass sich dies ändert. Denn als er heuer zusammen mit Heinz Endner Senegal, Gambia und Guinea-Bissau bereiste, hat er nicht nur viele Eindrücke mitgebracht, er hat auch unterwegs der einen oder anderen Reisebekanntschaft seine Adresse zugesteckt. Zumal die eigene Ausbeute an Postkarten eher mager war. Beispielsweise in Bissau, als er erst nach längerer Taxifahrt und vielen Nachfragen an Kiosken und Stores in einer Poststation fündig wurde. Die Betreiberin zog aus einem braunen Kuvert 10, für Sammler unattraktive Karten heraus, umgerechnet 3,50 Euro sollte das Stück kosten, zwei kaufte Billing ihr ab. Die Freuden und Leiden eines Sammlers.

Auf die Frage nach seiner Lieblingskarte will er sich nicht festlegen, da schwenkt er schnell zu Details irgendeiner Karte oder deren Erhalt ab – Themawechsel. Ungern trennt er sich von einer seiner Raritäten, mit einer Ausnahme, bei einer Exkursion mit Pfarrer Greifenberg durch das Oberammergauer Passionsspielhaus hat er eine von Oberammergau nach Abenberg adressierte Ansichtskarte mit dem Motiv „Die Grablegung Jesu“ von 1910 dem Passionsspielhaus Oberammergau überlassen. Dem Dorf, seinem Umfeld etwas zukommen lassen, das hat sich Helmut Billing auf die Fahnen geschrieben. Wenn er eine Idee im Kopf hat, geht er bedachtsam ans Umsetzen, Rückschläge und Wiederholungen bringen ihn indes nicht von seinem Vorhaben ab. Zuletzt hat er das bei den beiden von ihm geplanten Storchennestern umgesetzt. Ebenso beharrlich ging er bereits 2010 bei der 1200 Jahrfeier Wassermungenau mit einer Ausstellung von Dokus, Fotos und Karten der Dorfgeschichte an die Öffentlichkeit. Ähnliches ist für das diesjährige Kirchweihwochenende im Oktober geplant: „die Postkartenwelt erleben“. Mit wem könnte das erlebnisreicher sein als mit dem wandelnden Reiseführer Helmut Billing – dem Freund der Karten.

Text: Helmut Walter / Fotos: Helmut Walter + Archiv Helmut Billing

Helmut Billing an seinem Schreibtisch

Ordner 1, Seite 1

Auf der von 1899 an Fräulein Elenora Bogner aus Abenberg adressierte Postkarte wurde den Platznöten mit einer Doppelbeschriftung gerecht

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