Hungertuch 2021 / 2022 in St. Franziskus

Mit wenigen Farben von der Chilenin Lilian Moreno Sánchez gestaltet

 

NEUENDETTELSAU
Mit dem Hungertuch hat das Hilfswerk Misereor eine alte Tradition belebt. An den tausend Jahre alten Brauch, vor Ostern den Altarraum der Kirche mit einem Hungertuch zu verhängen, erinnert noch die Redewendung „am Hungertuch nagen“. Misereor griff den Brauch Mitte der 70-er Jahre wieder auf. Sein Ziel ist es, Künstler aus der Dritten Welt alle zwei Jahre ein Glaubenszeugnis aus ihrem Kulturkreis schaffen zu lassen.
Während der letzten 20 Jahre ist das Hungertuch in Deutschland zu einem festen Bestandteil der Fastenzeit geworden. Es wird in vielen Kirchen aufgehängt und kleinere Abbildungen finden sich in Pfarrhäusern, Schulen, Kindergärten, Wohnungen und an Zeitschriftenständen in Gotteshäusern.
Das Hungertuch 2021 / 2022 von Lilian Moreno Sánchez „Du stellst meine Füße auf weiten Raum – Die Kraft des Wandels“ wurde von der in Chile geborenen und seit 1996 in Deutschland lebenden Künstlerin gestaltet. Das Tuch besteht aus drei Teilen (Triptychon). Schwarze Linien zeichnen das Röntgenbild eines Fußes, der mehrfach gebrochen ist. Der Fuß gehört zu einem Menschen, der bei einer Demonstration in Santiago de Chile durch die Polizei schwer verwundet worden ist. Seit Oktober 2019 protestieren dort auf dem „Platz der Würde“ viele Menschen gegen ungerechte Verhältnisse. Tausende Demonstranten wurden durch die Staatsgewalt brutal geschlagen und verhaftet. Dieser Fuß mit den sichtbaren Verletzungen steht stellvertretend für alle Orte, an denen Menschen gebrochen und zertreten werden, ist in einem Text von Misereor zu lesen.
Das Hungertuch ist mit Bettwäsche gestaltet, denn Textilien erzählen Geschichten. Menschen haben mit ihnen gelebt und sich mit ihnen umhüllt. Die Bettlaken hat die Künstlerin mit nach Chile genommen und den „Platz der Würde“ in Santiago besucht, wo die Proteste stattgefunden haben. Staub von dort hat sie in den Stoff gerieben. Er trägt das Leid in sich. Die Flecken erinnern aber auch an den Protest gegen Ungerechtigkeit. Der Stoff ist nicht glatt und makellos, graue Flecken und Falten überziehen ihn. Er ist vielfach übereinander gelegt, an Schnittmuster erinnernd, auseinander klaffend wie verletzte Haut und mit goldenem Zickzack wieder zusammengenäht, um Heilung zu ermöglichen. Sánchez verwendete Röntgenbilder, da es diese erlauben, alles genau zu sehen. Ihr Bild bleibt aber nicht beim Leiden stehen. Es drückt aus, wie wichtig es ist, wieder aufzustehen, sich zu bewegen und sich zu entwickeln. Im Menschen ist eine Kraft, die es möglich macht, sich zu befreien. Das Hungertuch zeigt Wege hinaus in die Solidarität, die Liebe und die Hoffnung, sagte Lilian Moreno Sánchez in einem Interview. Das Hungertuch ist an der Rückwand im Altarraum von St. Franziskus angebracht und kann während der Öffnungszeiten des Gotteshauses besichtigt werden.


Text + Foto: Klemens Hoppe
hilenin Lilian Moreno Sánchez gestaltet

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