NEUENDETTELSAU/HIMMELKRON/POLINGEN (Eig. Ber.)
Flöte spielen, schwimmen, arbeiten, kreativ sein: Menschen mit Behinderung erzählen von Situationen, in denen sie glücklich sind. Schwimmerin Bettina Wallmüller (45), Neuendettelsau: „Nach dem Sport bin ich glücklich, weil ich etwas für meinen Körper getan habe und die Kondition besser wird. Ich habe Ziele und weiß, warum ich trainieren muss. Außerdem kann ich bei Veranstaltungen der Special Olympics teilnehmen. In Monaco war ich besonders glücklich, weil es toll ist so weit weg zu fliegen und dann schwimmen zu dürfen. Wenn ich Medaillen gewinne, dann kann ich andere daran teilhaben lassen und sie her zeigen. Durch den Sport komme ich mal aus der Gruppe raus und treffe auch mal andere Menschen.“ Ehepaar Jürgen (53) und Erna (61) Liedel, Himmelkron: „Wir sind seit zwei Jahren glücklich verheiratet. Das macht uns sehr glücklich. Am besten ist, dass man jemanden zum Liebhaben hat. Unsere Hochzeit haben wir in einem Zelt gefeiert. Es gab eine große Hochzeitstorte. Viele Freunde waren da und haben mit uns gefeiert. Leider war die Hochzeit sehr teuer, aber uns war es das wert. Kennen gelernt haben wir uns in Himmelkron und leben jetzt auf der gleichen Wohngruppe S8. Gemeinsam unternehmen wir viele Aktivitäten wie Busfahrten oder wir machen gemeinsam Sport. Also wir können auf jeden Fall sagen, dass heiraten super glücklich macht. Flöte-Spieler Andreas Muß (37), Neuendettelsau: Ich bin auf jeden Fall glücklich. Wenn ich Flöte spiele, vergesse ich den Alltag und kann Stress abbauen. Musik ist das schönste überhaupt. Ich spiele in der Musikgruppe „Diakonie All Stars“ mit 12 anderen Mitgliedern. Die Gründung der „All Stars“ habe ich mit angestoßen. Aber ich schreibe auch selbst Lieder und nehme sie auch für mich selbst auf. Arbeit macht mir auch Spaß und macht mich glücklich. Auch wenn es manchmal stressig ist. Bald schließe ich meine Ausbildung in der Hauswirtschaft ab. Dann versuche ich, eine eigene Wohnung und einen Job ‚draußen‘ zu finden. Bei der Diakonie gibt es aber bei den Offenen Hilfen viele Leute, dir mir helfen. Vor zwei Monaten habe ich meinen neuen Partner kennen gelernt. Mit ihm bin ich auch sehr glücklich. Werkstatt-Beschäftigter Klaus Dittrich (35), Polsingen: Ich bin glücklich, wenn ich in der Werkstatt einen ganzen Stapel Holz bearbeitet habe. Auch die Arbeit im Team in der Werkstatt macht Spaß. Ich freue mich jeden Tag auf die Arbeit in der Schreinerei – da geht es ruhiger zu als in der anderen Werkstatt wo ich vorher war. Ich bin auch mit meiner Freundin Silke sehr glücklich. Übrigens bin ich auch Fan des FC Bayern München, wenn mein Verein gewinnt, bin ich auch glücklich. Mit anderen Bewohnern singe ich gerne, spiele Fußball und Tischtennis. Das macht mich alles glücklich. Schreibwerkstatt-Teilnehmerin Martha Schwab (74), Neuendettelsau: In der Schreibwerkstatt haben wir fotografiert und auch Bilder aus Zeitschriften ausgeschnitten, die uns gefallen. Dann habe ich einen Artikel über mich geschrieben. Ich bin glücklich, dass ich da mitmachen kann. In der Schreibwerkstatt treffe ich immer so sechs bis acht andere Leute. Das gefällt mir auch gut, weil da Junge und Alte in der Schreibwerkstatt sind. Mir macht auch der Senioren-Club Spaß. Da gehe ich fast jeden Tag hin und wir essen, trinken Kaffee, machen Sitz-Gymnastik oder gehen spazieren. In meinem Leben habe ich viel gearbeitet: Zum Beispiel in der Küche, in der Wäscherei oder in der Nähstube. Ich habe oft immer wieder von vorne angefangen. Das war anstrengend, aber ein Erfolg für mich und hat mich glücklich gemacht. Ein großes Hobby von mir ist auch das Stricken, zum Beispiel Pullover oder Socken. Rund 1800 Menschen mit Behinderung nutzen die zahlreichen Wohn-, Arbeits- und Beschäftigungsangebote. Beschäftigung, Wohnen, Arbeiten, Freizeitgestaltung: Sind das die Voraussetzungen für Glück? Diplom-Psychologe Peter Krüger arbeitet seit vielen Jahren als Psychologischer Fachdienst im Wohnen Neuendettelsau der Dienste für Menschen mit Behinderung in der Diakonie Neuendettelsau. „Die Frage nach Lebenszufriedenheit oder Glück stellt sich aus meiner Sicht für Menschen mit geistiger Behinderung in gleicher Weise wie für alle Menschen auch“, betont Krüger. „Grundlegende Gefühle wie Angst, Trauer, Freude und Emotionen wie Glück können alle Menschen intensiv empfinden – unabhängig, ob sie eine geistige Behinderung haben oder nicht“, betont Krüger und ergänzt: „Menschen sind soziale Wesen – ganz gleich, welche geistigen Fähigkeiten wir haben. Und als soziale Wesen ist für das Erleben von Lebenszufriedenheit und Glück die soziale Einbindung etwa in Familie, in der Wohngruppe, in der Peergruppe, in der Schule und am Arbeitsplatz ein wichtiger Faktor“, so Krüger. Natürlich sei es auch für Menschen mit Behinderung wichtig, dass sie ihre Lebensbedingungen gestalten und eine möglichst erfüllte Zeit erleben können – vergleichbar mit den fünf Menschen mit Behinderung und ihren Aussagen oben. Auch, ob ein Mensch Anerkennung und Wertschätzung erfährt, sei dabei von Bedeutung, betont der Diplom-Psychologe. Neben Wertschätzung sei vor allem das Umfeld wichtig. „Menschen mit Behinderung benötigen Verständnis dafür, dass oftmals Ängste ihr Verhalten massiv beeinflussen und eine Umgebung, die erkennt, dass diese Menschen meist sehr bemühen, mit ihren Handicaps möglichst gut zu Recht zu kommen. „Sie benötigen die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, das bedeutet, dass sie auf ihr Leben Einfluss nehmen können, sie ihr Leben möglichst aktiv gestalten können. Diese Menschen brauchen, dass wir auf sie mit der gleichen Offenheit und Freundlichkeit zugehen, wie sie auf uns“, betont der Diplom-Psychologe. Und letztendlich gehe es, wie bei allen Menschen, auch um die Akzeptanz eigener Möglichkeiten und die Akzeptanz von Grenzen auf dem Weg nach Lebenszufriedenheit und Glück. Die Mitarbeitenden der Dienste für Menschen mit Behinderung der Diakonie Neuendettelsau kümmern sich um rund 2.000 Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Differenzierte Wohnangebote und über 1.400 Arbeitsplätze in Werkstätten und Förderstäten sowie Angebote im Bereich Kultur/Freizeit und ambulante Betreuung stehen für diese Personengruppe zur Verfügung.
Kontakt:
Diakonie Neuendettelsau, Direktion Dienste für Menschen mit Behinderung
Wilhelm-Löhe-Str. 23, 91564 Neuendettelsau, Telefon: 09874/8-3276, Internet: www.diakonieneuendettelau.de