„Nehmt einander auf, wie Christus euch aufgenommen hat“
NEUENDETTELSAU-REUTH
Bei angenehmen Temperaturen und wärmenden Sonnenstrahlen fand kürzlich im Neuendettelsauer Ortsteil Reuth der alljährliche ökumenische Gottesdienst im Grünen statt. Diesmal stand er unter dem Leitwort: „Nehmt einander auf, wie Christus euch aufgenommen hat.“ Gläubige beider christlicher Konfessionen hatten sich zahlreich versammelt, um sich über „Gottes ewige Treue“ Gedanken zu machen, Gebete zu sprechen und Lieder zu singen. Rhythmische Untermalungen nahm eine Band vor, und der Reuther Posaunenchor begleitete die Gesänge. In ihrer Ansprache ging Pfarrerin Karin Goetz von St. Laurentius, theologische Assistentin des Rektors der Diakonie, auf das Leitwort des Gottesdienstes ein. „Angenommen sein, das will jeder von uns – doch nichts scheint schwerer als das. Wenn schon diejenigen, die im selben Boot sitzen, es so schwer haben, einander anzunehmen, wie soll das gehen, wenn Fremde an unsere Tür klopfen? Das Alte wie das Neue Testament sind voll von Flucht- und Migrationsgeschichten. Abraham und Sara verlassen das Land ohne Not. In der Erwartung eines versprochenen Nachkommens machen sie sich auf die Suche nach einem verheißenen Land. Jakob und seine Söhne sind die ersten Wirtschaftsflüchtlinge, denn der Hunger treibt sie nach Ägypten, um dort für ihre Familien zu sorgen. Jesus wird auf der Wanderschaft geboren, an einem ungastlichen Ort. Kaum ist er auf der Welt, müssen seine Eltern mit ihm nach Ägypten fliehen, um sein Leben zu retten. Jesus beginnt seine Kindheit als politischer Asylant. Wir Deutschen haben in unserer Geschichte sehr viele Flucht- und Migrationserfahrungen gesammelt: Im 19. Jahrhundert wanderte mancherorts ein Drittel der Bevölkerung ab – nach Russland und Osteuropa oder nach Übersee. Manche gingen aufgrund religiöser und politischer Unfreiheit, die meisten aus Armut und Perspektivlosigkeit. In der Zeit vor dem ersten Weltkrieg sind fünfeinhalb Millionen Deutsche allein in die USA emigriert.“ Im weiteren Verlauf ihrer Predigt ging Pfarrerin Goetz auf Kriegsopfer und politisch Verfolgte ein. Diese, wie auch syrische Flüchtlinge, werden oftmals als „gute“, echte Flüchtlinge bezeichnet, die ein Recht auf humanitären Schutz hätten. Andere hingegen würden in der öffentlichen Debatte Scheinasylanten, Asylbetrüger und Schmarotzer genannt, die unser Asylrecht missbrauchen wollen. Demgegenüber war von EU-Bürgern die Rede, für die es eine Selbstverständlichkeit sei, im Ausland ein besseres Leben zu suchen. Allein im Jahr 2013 sind 140.000 Deutsche ausgewandert, von denen wohl keiner so starke Gründe hatte wie die Menschen, die auf dem Mittelmeer ihr Leben riskieren. Die Predigerin nannte weitere Zahlen und Beispiele, die die Zuhörer außerordentlich nachdenklich stimmten. Sie rief dazu auf, als Christ zum Lobe Gottes das zu tun, wie es Jesus uns vorgelebt hat. Nehmt einander auf wenn Flüchtlinge und Migranten in unserer Mitte leben. Nach Fürbitten, Lesungen und dem abschließenden Segen war noch Gelegenheit gegeben, bei Imbiss und Getränken das Gespräch mit anderen zu suchen und Themen zu erörtern, die Herzen und Sinne bewegen.
Text + Foto: Klemens Hoppe