Christian Steinbauers Dialekt-Gedicht vom 17. Februar 1945

Aus dem Kriegsgebiet Mährisch-Ostrau nach Neuendettelsau geschickt

NEUENDETTELSAU Christian Steinbauer, Vater von Erhard Steinbauer und Verfasser des nachfolgenden Dialekt-Gedichts, ist im 2. Weltkrieg in einem „Hungerlager“ verstorben, wie es sein Sohn schilderte. Das Gedicht, das er aus dem Kriegsgebiet geschickt hatte, haben er und seine Familie stets in Ehren gehalten. Die Verse bezogen sich auf ihn, den „kleinen Erhard“ in der mittelfränkischen Heimat Neuendettelsau.

Es wor amoll a klanner Bu,

der hat ka anzis Bor mär Schuh.

A jeder Schuh hat a Drumm Luch,

Wasser und Dreek konn nei grod gnuch.

Es ander Bor iss fillzu klah,

do genna nemmer nei sei Bah.

Af amoll fellt dem Bu wos ei:

Do nemmi halt mein Vatter sei.

Der hat su ani mit langa Rährn,

do konn i in grässten Dreek rumährn.

Mei Vatter konn die Stiefl grodn,

der is scho längst bei die Soldoten.

Und wenn der Krieg amoll is gor,

no kafmer halt a neichis Bor.

Leider kam es nicht mehr dazu, dem Vater ein Paar neue Schuhe zu kaufen.

Sohn Erhard erzählte, dass sein Vater zur so genannten Partisanenbekämpfung in Mährisch-Ostrau eingezogen wurde, was nach den Worten des Sohnes ein Vorwand dortiger Kriegsführung war. Die Einwohner, größtenteils bettelarm und freundlich aber in keiner Weise feindselig, liefen meist in abgetragener Kleidung und vielfach ausgetretenen, alten Schuhen. Aus Briefen des Vaters war zu entnehmen, dass im dortigen Kriegsgebiet die Soldaten bei Schnee und Eis in einem Radius von etwa 30 Kilometer mit ihren Skiern auf Patrouille unterwegs sein mussten, um Bäume zu markieren und zu kennzeichnen sowie eventuelle Schlupfwinkel möglicher Partisanen aufzuspüren.

Über viele Jahre wurden daheim die Schuhe des Vaters aufbewahrt, bis man sie schließlich eines Tages doch entsorgte. Eine Zeichnung ist allerdings noch erhalten, welche die damaligen hohen Schuhe zeigt. So bleibt der Familie Steinbauer als Erinnerung lediglich das Gedicht und die Abbildung der Schuhe, die sich einst der „klanne Bu“ als Leihgabe vom Vater bis nach dem Krieg ausleihen wollte. Und wären diese bis dann aber auch kaputt, „no  hätt mer halt a neichis Bor kaft“.

Text + Foto: Klemens Hoppe

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